Es ist Sonntag 12 Mai 2024. Ich sitze gerade am Navigationstisch der Sun auf der 02:04 Wache. Die Nacht ist ruhig, mild und klar. Leider ist auch nur wenig Wind. Vor einigen Stunden gab es sogar Flaute. Die Sun befindet sich kurz vor der Einfahrt in den englischen Kanal. Gerade passieren wir das wilde Kap du Raz mit der Ile de Sein. Der Perkins dieselt mit 1300 Touren langsam durch die Nacht. Das ablaufende Wasser hat uns etwas abgebremst, denn eigentlich sind wir ganz gut im Zeitplan. Die Anreise nach Foleux hat trotz vieler Organisationsschritte perfekt funktioniert, der Leihwagen war in Ordnung. Die Taxifahrt zurück nach Arzal nach der Abgabe war zwar teuer, aber Johannes war vor der Zeit an der Schleuse in Arzal. Nach einem kurzen Aufenthalt auf der trockengelegten Sun haben wir alle mitgebrachten Klamotten, Ersatzteile und Lebensmittel verstaut. Ich habe noch schnell die Anoden gewechselt. Um 10 Uhr kam dann pünktlich der Sliptruck um die Sun so gegen 11:30 ins Wasser zu bringen. Noch eben schnell wurde das Antifouling an den Kontaktstellen der Palle ergänzt. Das Boot wurde auf dem Slipwagen ins Wasser gefahren und schwamm gleich auf. Der Diesel sprang im Wasser an und die Sun war wieder in ihrem Element.
An diesem Freitag fanden auf und an der Vilaine einige Feste statt. Wir fuhren mit einer Flotille von historischen breonischen Seglern über La Roche Bernard nach Arzal zur Schleuse. Vorne an der Schleuse brauchten wir dann mit dem für uns ganz neuen Boot zwei Versuche um am Wartesteg festzumachen. Schließlich fanden wir eine Lücke mit auflandigem Wind auf der linken Seite der Schleuse. Das Manöver war ein echtes Hafenkino, weil der Perkins anstatt in den Rückwärtsgang zu schalten, einfach ausging und das Abstoppen am Steg mit einer ordentlichen Berührung stattfand. Ich konnte den Motor noch im Rückwärtsgang starten, so daß das schlimmste vermieden wurde.
Was hatte der Motor bloß? Wir vermuteten, dass beim letzten Entlüften des Einspritzsystems die Schraube, die für den konstanten Leerlauf sorgt, verstellt worden war. Doch sobald die Maschine frei lag, stellten wir fest, dass die ganze Wand des Motorraumes und die Maschinenbilge voller Diesel war. Ein Leck – schrecklich – ich sah schon unsere Weiterfahrt gefährdet. Ein kurzer Teststart des Motors brachte aber schnell die Erkenntnis, dass wir beim Entlüften eine Überwurfmutter der Hochdruckleitungen nicht festgezogen hatten. Somit waren wir wohl, ohne es zu merken, die ganze Vilaine auf 3 Töpfen hinuntergefahren. Der eingesparte Diesel befand sich nun in der Isolation und in der Bilge. Nach dem Festziehen der Mutter, funktionierte auch alles wieder gut. Wir kamen erfolgreich vom Ponton weg in die Schleuse und die Schleusenfahrt war perfekt. Mit etwa 10 anderen Booten befuhren wir nun den Tidenbereich der Vilaine, der sich nach der Schleuse erstreckt, durch viele Kurven bis in die Meeresbucht La Turballe. Dann mussten wir noch durch die Passage der Untiefen vor der Halbinsel Quiberon. Diese konnten wir mit der beginnenden Nacht meistern und waren nun in der Biscaya-Bucht oder auch Baie de Gascogne.

die Sun im Trockenlager aufgeriggt in Foleux

Mit Traditionsseglern zusammen die Vilaine hinunter

Wartesteg Schleuse in Arzal
Glücklicherweise ist das Wetter gut zu uns, um uns an das neue Boot zu gewöhnen. Wir teilen Wachen ein, um die nächsten Tage entlang der Südbretagne genießen zu können und bis heute haben wir Vannes, Concarneau und Quimper hinter uns gelassen. Da hier die Strömungen nicht sehr stark sind, haben wir mit Motor und der Genua die vielen Meilen bis hier in den Kanal sehr gut geschafft .

Der Vesselfinder hat uns gefunden!!
Obwohl keiner von uns mit einer Windsteuerungsanlage vertraut ist, haben wir unseren Windpiloten (Pacific Plus mit Hilfsruder) erfolgreich in Betrieb genommen. Er hat von Anfang an ohne Probleme den Kurs beim Segeln gehalten. Wir möchten ihn nicht mehr missen. Bei Maschinenfahrt arbeitet der alte Autohelm Autopilot ebenfalls ohne Probleme. Heute kam nun das erste Mal der Strom. Die Fahrt streckt sich extrem. Bis nach Ouessant – die Insel des offiziellen Kanalbeginns müssen wir noch einige Stunden fahren. Der Wind ist immer noch so schwach, daß es sich nicht lohnt ein Segel zu setzen. Seit den kleinen Pannen und Krisen am Anfang, haben wir uns an die SUN gewöhnt. Sie hat Ihre kleinen Macken und die fehlende Pflege versuchen wir nun in den freien Stunden wettzumachen. Die Plexigläser sind Johannes sei Dank schon wieder poliert. Die neue Elektronik funktioniert sehr gut und wir freuen uns immer wieder, wenn wir neue Funktionen auf dem Funkgerät und dem Plotter finden. Die Kombination aus AIS und Radar inklusive der Verbindung der Systeme in der Darstellung macht die Fahrt durch die Nächte sehr leicht, obwohl wir oft durch Ansammlungen von Fischerbooten hindurchmanövrieren müssen. Wenn andere Schiffe nicht mit AIS ausgestattet sind, sehen wir sie gut auf dem Radar.

Sonnenuntergang in Quiberon
Gestern am Samstag hat sich nun mein Organisationsstress gerächt. Nach der Wache konnte ich nicht mehr schlafen und bekam starke Kopfschmerzen. Den ganzen Tag hing ich nur rum und konnte nicht mitarbeiten. Glücklicherweise hat sich das nach ausgiebigen Ausruhen gelegt und ich kann heute am Sonntag wieder Wache schieben. Allerdings macht es mir das Wetter auch sehr leicht. Nichteinmal Fischer sind heute unterwegs – die machen wohl Ihre wohlverdiente Sonntagspause. Weit-und breit sind nur wir mit der SUN unterwegs. Kaum zu glauben, dass wir uns an einer der am stärksten befahrenen Seefahrtsstraßen der Welt befinden. In ca. 5 Stunden werden wir nach dem Sonnenaufgang nun die Passage von Ouessant durchfahren und befinden uns dann offiziell im englischen Kanal.

Sonnenaufgang in der Südbretagne
Donnerstag 16.5.24 Höhe Brighton UK. Nach der Passage von Ouessant und nach dem wir Brest und das Cap du Raz hinter uns liessen, fuhren wir die nordbretonische Küste entlang über Morlaix und Lannion. Das Ganze mal unter Segeln oder auch mit der Maschine, da der Wind immer wieder mal einschlief und uns nicht schnell genug nach Osten brachte. Inzwischen hatte sich aufgrund der anstrengenden Nachtfahrten und der recht ungewohnten Lebensweise eines Seemannes der Wunsch nach einer Hafen-Auszeit entwickelt. Aus dem Wetterbericht und Windy wußten wir, dass noch bevor wir Guernsey erreichen würden, ein Tief mit starken Südwinden durchziehen wird. In der Vorhersage wurde eine rasche Besserung der Wetterlage nach dem kurzen Durchzug versprochen. Die Schwierigkeiten, die die Häfen der Nordbretagne mit sich brachten, wie der Tidenhub und schwierige Anfahrten, waren uns aber zu kompliziert und so beabsichtigten wir nach dem Ende der Nachtfahrt am Montag in Guernsey einzulaufen. Der Hafen der Kanalinsel hat laut Beschreibung im Reeds eine einfache Zugängigkeit und steuerfreien Diesel zu bieten.

Guter Wind hinter Brest
Am Dienstagmorgen zogen nun die Tiefdruckausläufer heran. Sehr schnell stieg die Windgeschwindigkeit auf über 20 Knoten, es bauten sich starke Wellen auf. Der Wind wehte böig aus dem Süden und brachte für uns einigen Stress mit sich. Andererseits bewährte sich das kleine Vorsegel am Kutterstag hervorragend bei dem starken Wind. Aufgrund der intuitiven Kurswahl am Abend erreichten wir die Südwestspitze von Guernsey wenige Zeit später. Die Abdrift, die uns der Südwind brachte, ließ es nicht mehr zu, dass wir Guernsey südlich umrunden konnten, um den Hafen in St Peter Port anzufahren, da wir auf die felsige Küste zugetrieben wurden. Deshalb entschieden wir uns dafür, es im Norden zu versuchen. So segelten wir mit sehr hoher Geschwindigkeit mit raumem Wind die Westküste der Kanalinsel hinauf. Beim Umrunden der Nordseite, mußten wir feststellen, dass die Landabdeckung eine Abdrift nach Norden nicht verhindern konnte. Der Motor würde bei dem starken Wellengang nicht viel unterstützen. Wir mußten den Plan St. Peter Port enttäuscht aufgeben.

Starker Wind in der Nordbretagne
Der nächste sichere Hafen war nun Cherbourg. Ihn bei den herrschenden Bedigungen zu erreichen gestaltete sich zu einer extremen Herausforderung und dies nachdem wir nun schon 3 Tage ununterbrochen unterwegs waren und uns eigentlich nur etwas mit einen Landfall erholen wollten. Die Wellen türmten sich weiter auf, der Südwind verstärkte ständig seine Böen. Dazu kam, dass wir uns in einer Region der stärksten Tidenströmungen in Europa befanden. Die Wellen waren dadurch kurz und extrem unangenehm. Alles, was nicht wirklich fest verstaut war, flog in der Kabine herum. Mit dem Dienstagabend begannen wir nun so die Umrundung des Cap de la Hague, der Nordwestspitze der Normandie. In der Nähe des Kaps nahm die Böengeschwindigkeit nochmals zu, wir erreichten ein Maximum von 29Knoten Windgeschwindigkeit.

Ob Tag oder Nacht – der Windpilot macht zuverlässig seinen Dienst
Als wir das Kap schließlich erreichten, herrschte Niedrigwasser vor und Bodo bestimmte anhand der Navico Kartenangaben einen passenden Weg durch die Meeresenge zwischen dem Kap und der Insel Alderney. Es war sehr anstrengend für uns alle, dies – insbesondere in die Nacht hinein durchzustehen. Die Stimmung in der Mannschaft erreichte einen Tiefpunkt. Unsere Wunschvorstellung, dass der Wind nach der Umrundung etwas nachlassen würde, um dann gegenan nach Cherbourg zu kommen, hat sich nicht so richtig bestätigt. Allerdings ließ nach einer Weile Fahrt quer zur Windrichtung die Wellenhöhe etwas nach. So dass wir uns für die Anfahrt auf den Hafen mit der Maschine entschieden. Am Anfang wurde die Sun vom Wind immer wieder aus dem Anfahrtskurs getrieben, Irgendwie funktionierte es aber dann, dass wir direkt in Richtung Cherbourg fahren konnten. Inzwischen war es ca 5 Uhr morgens. Wir fuhren durch den riesigen Vorhafen, suchten uns den Weg in die Marina und fanden einen freien Steg um festzumachen und um gleich schlafen zu gehen.
Nach einem späten Frühstück mit frischen Croissants und Baguette, konnte jeder an einem sonnigen Mittwoch die kleine Garnisonsstadt im Golfstrom erkunden oder Einkaufen gehen. Die Marinaanlage ist sehr gut gepflegt und alles ist bemerkenswert sauber. Am Abend gehen wir gemeinsam ins Fischrestaurant um den Hafentag zu beschließen. Die Ersatzteile, die ich noch brauche, hatte der Schiffsbedarfshändler nicht vorrätig – also vielleicht im nächsten Hafen.

Am Steg in Cherbourg
Nachdem nun unsere Vorräte in jedem Sinne wieder aufgefüllt sind, können wir am Donnerstagmorgen die Fahrt fortsetzen. Der südöstliche Wind treibt uns an die englische Küste. Auf der Höhe von Brighton gelangen wir in die Gewässer des Vereinigten Königreiches. Die Navigation durch die stark befahrene Seefahrtsstrasse war bis auf einige wenige unkritische Ausweichmanöver recht einfach. Mit AIS – das wir alle bisher noch nicht verwendet hatten, ist es wirklich sehr einfach, eine sichere Strategie für die Querung zu entwickeln.

Mit 3 Segeln im Kanal unterwegs

Es ist viel los im Verkehrstrennungsgebiet

Ein paar Tümmler zu Besuch am frühen Morgen
Wir setzen die Fahrt nach Norden entlang der Küste fort, mal mit Segeln und mal mit Motor. Eine Schule Delfine besucht uns und spielt mit dem Rumpf der Sun. Das Wetter ist regnerisch und verhangen. Ziel ist zunächst mal Dover. Dort werden wir dann die Wettergötter befragen, um zu entscheiden wie es weitergeht.
Leider ist alles nicht so ideal. Die Windrichtung Nordwest, kann uns nicht wirklich begeistern. Zudem sind wir jetzt auf der falschen Seite des Verkehrstrennungsgebietes und müssten mit der Nachtwache wieder zurück auf die belgische bzw. französische Seite. Einzige Ausweichalternative ist der Hafen von Ramsgate in der Nachbarachaft von Dover. Wegen der starken Strömungen in der Gegend, warten wir den Morgen draußen in der Themsemündung ab und segeln dann bei Tageslicht in den kleinen Hafen von Ramsgate. Uns empfängt ein wenig englische Lebensart, ein gutes englisches Frühstück, Fish and Chips. Wir freuen uns über die Duschen und die neu aufgefüllten Wassertanks.

Der Vesselfinder findet uns in Ramsgate

Hafentag in Ramsgate
So gegen 7 Uhr morgens, machen wir uns auf den langen Weg nach Holland. Die Windrichtung passt wieder nicht gut zu unserem Ziel, trotzdem versuchen wir auf der linken Seite des Verkehrstrennungsgebietes möglichst viel Höhe gegen den Nordwestwind zu gewinnen.

Und immer wieder werden wir zum Verkehrstrennungsgebiet versetzt

Containerfrachter in der Nordsee
Manchmal steht die Sun fast ohne Fahrt und manchmal macht sie mehr als 7 Knoten. Der Strom und der unbeständige Nordwestwind machen uns zu schaffen. Mal ist eine zusätzliche AIS- und Radarwache notwendig, mal werden alle Hände an Deck benötigt, um zu Reffen oder Segel zu setzen. Immer wieder werden wir in das stark befahrene Verkehrstrennungsgebiet versetzt. Wir treffen auf Windparks, die selbst in den nagelneuen Papierkarten nicht eingezeichnet sind.
Am Sonntag (19.5) können wir letztlich nach 42 Stunden in Ilmujden einfahren. Wir haben uns von der Idee für eine die Weiterfahrt in der Nordsee trennen müssen, da in den nächsten Tagen nur mit Nord und Nordostwinden zu rechnen ist. Das nächste Wetterfenster ist gemäß windy.com für die Nordfriesischen Inseln mit einem Wind aus westlicher Richtung ist erst am Donnerstag zu erwarten . Wir werden also die Staande Mastroute in Friesland nutzen, um wenigstens etwas Höhe zu gewinnen.
Lemmer 20.5.2024
Nach der etwas querströmungsreichen Einfahrt in den Nordzeekanal vor Ilmujden – die Sun lag fast mit 45 Grad quer zum Einfahrtskurs – haben wir endlich die etwas ruhigere friesische Seenlandschaft und auch Amsterdam erreicht. Die Schleuse in Ilmujden öffnet nur für uns und bringt uns auf das Wasserspiegelniveau des Nordzeekanals. Langsam durch den Kanal dieselnd, geniessen wir die neue Stille. Zwischendurch besucht uns noch ein Wasserpolizeiboot und weist uns an, ein weißes Licht mitzuführen. Anscheinend ist dies hier so vorgeschrieben. unser Toplicht ist defekt – wir klemmen eine Taschenlampe zwischen die Fallen am Mast und die Polizisten lassen uns weiterfahren. Zum Schlafen machen wir in einer Innenstadtmarina längsseits fest.

Nachts in Amsterdam
Am Montagmorgen fahren wir dann den kurzen Weg zur Schleuse hin zum Markermeer. Wegen des weiterhin starken Nordwindes und der recht begrenzten Tiefe des Markermeers – motoren wir gen Norden zur Schleuse in Lelystadt. Hier treffen wir auf eine abendliche Ansammlung von Sportseglern, die die Schleuse fast verstopft. Uns gelingt es aber doch, einen Platz für die nächste Schleusung zu ergattern und sind dann sehr schnell im Ijsselmeer. Nach ein paar Schlägen gegen den Nordwind geben wir wegen Zeitmangel das Segeln wieder auf und fahren unter Motor mit dem Autopiloten in Richtung Lemmer .

Schleusung in Lelystadt
Nach der folgenden abendlichen Schleusung in den Prinses Margarietkanal beschließen wir am Wartesteg festzumachen, um die Nacht dort zu verbringen. Da der Kanal nicht sehr gut beleuchtet ist und bestimmt wieder irgendeine Brücke nachts geschlossen wird. Es ist sehr ruhig und wir haben eine zweite Nacht in Holland ohne Fahrt zur Erholung.
Am nächsten Tag geht es mit dem Sonnenaufgang durch die friesische Seen/Meerewelt in Richtung Sneek um die „Stehende Mastroute“ Richtung Lauwersoog und der nördlichen Ausfahrt in das Watt und die Nordsee zu passieren. In Sneek wird ein kleiner Umweg hinein in den Stadtkanal gemacht, um zu Tanken und noch ein paar Kleinigkeiten für die nächsten Tage beim Discounter zu kaufen.

Herrliches Wetter beim Tanken in Sneek am Steg des Schiffsbedarfshändlers
Wir Tanken ca. 170L Diesel (EVO7) bis der Tank im Kiel voll ist. Interessant zu wissen, wieviel da tatsächlich reinpasst, da in den Kaufunterlagen nur 140l Tankinhalt angegeben waren. Also stimmt doch die Angabe in den Konstruktionsunterlagen: 260 L.
Nach einem kurzen Aufenthalt geht es den Prinses Margarietkanal weiter in Richtung Leuwarden. Kurz vor der Stadt fällt uns ein gelbes Hinweisschild auf, das uns darauf hinweist, dass die nächste Brücke nicht bedient würde. Da wir in Sneek noch nachgefragt hatten, ob die Route offen ist, sind wir uns sicher, das das nicht sein kann. Als wir an der Fonejachtbrug ankommen, leuchten die Ampeln alle mit 2 Rotlichtern. Tatsächlich hat die Brücke seit kurzer Zeit einen Schaden und kann nicht bewegt werden. Mit viel Mühe finden wir dann Hinweise auf dieses Problem im Internet. Keine Chance weiterzufahren. Maximale Durchfahrtshöhe ist 10m und wir haben mindestens 15.

Schicksalsbrücke Jachtfonbrug vor Leuwarden
Wir sind entthäuscht und stellen uns auf eine deutlich verspätete Ankunft in Bremen ein. Es hilft nichts – wir müssen umdrehen, nach Sneek zurück und dann über das Hegemer Mar nach Stavoren wieder ins Ijsselmeer. Auf diesem Weg gibt es lediglich eine Brücke und eine Schleuse. Allerdings wird die Schleuse in Stavoren nur bis 20:00 betrieben. Mit erhöhter Motordrehzahl und dem Glück einer direkten Brückenöffnung schaffen wir es gerade bis 10 vor acht an der Schleuse zu sein. Das Signallicht wird grün und wir können einfahren. Wir sind heute das letzte Boot. Nach uns macht die Schleusencrew Feierabend. Ein deutsches Segelboot auf der Ijsselmeerseite muß wieder abdrehen.

Letzte Schleusung in Stavoren
In den Abend hinein fahren wir wieder mit dem Motor gegen den steifen Nordwind, der uns nun schon einige Tage begleitet hat. Wir sind jetzt die einzigen, die noch auf dem Ijsselmeer unterwegs sind. Angekommen in Makkum, machen wir nach Mitternacht im Stadt- und Fischereihafen fest. Da wir nicht in die vorgesehenen Boxen passen, machen wir am Fischereisteg fest.
Erstaunlicherweise öffnet sich auch ein neues Wetterfenster, das nun für den Donnerstag einen zunächst starken Südwind verspricht, der allerdings dann in der Nordsee bis zur Flaute abschwächen soll. Eine Nachfrage beim Hafenmeister bestätigt unsere Annahme, dass wir ungefähr 1-2 Stunden vor dem Hochwasser aus der Schleuse in Makkum fahren sollten, um schnell mit dem Strom durch das Watt in die Nordsee zu kommen. Die Schleuse hievt uns gegen 22:00 in das Watt. Bei Hochwasser öffnet sich nun vor uns eine riesige Wasserfläche.

Blick vom Steg im Stadthafen Makkum
Zunächst haben wir keinen Strom. Später fliegen wir mit ca 7 Knoten die Priele hinunter. Der Wind weht in die gleiche Richtung wie das ablaufende Wasser, also alles gut. Das Watt vor dem Ijsselmeerdamm ist beleuchtet wie ein Christbaum. Das Navigieren ist kompliziert. Die Lichtsignale der Tonnenpärchen, die das Fahrwasser begrenzen, sind nur schwer zu unterscheiden. Zu zweit, mit verschobenen Wachzeiten, schaffen wir die Ausfahrt in der Nacht über das Gatt in die Nordsee in Terschelling dann in Rekordgeschwindigkeit.

Fischergruppe am Gatt vor Terschelling
Glücklicherweise arbeitet der Strom vor der langen Insel noch einige Stunden bis zum Niedrigwasser für uns und so haben wir am frühen Morgen die friesische Insel passiert. Unsere Sun ist gut getrimmt und wir kommen mit dem Windpiloten bei Südwind sicher voran. Vor Borkum bricht dann wie erwartet der Strom ab und beginnt langsam gegen uns zu arbeiten. Der Wind wird schwächer. Bald ist das Segeln nicht mehr effektiv möglich und so werfen wir unwillig die Maschine an und fahren weiter in den Osten, an der langen friesischen Inselkette in der Nordsee vorbei. Die See ist inzwischen so glatt wie ein Spiegel.
Vor erreichen der niederländischen Grenze werden wir von einen Zollboot verfolgt. Es bleibt eine Viertelmeile achteraus in unserem Kurs und passt ständig die Geschwindigkeit an unsere an. Sehr seltsam. Nach einer Stunde ist der Spuk dann vorbei und das Boot dreht ab. Wir holen die niederländische Gastlandflagge ein und sind nun in Deutschland angekommen. Es ist nicht viel los hier auf dem Streifen zwischen dem Verkehrstrennungsgebiet und den langen Inselstränden.
Mit der anbrechenden Donnerstagnacht, fahren wir auf das Jade-Weser-Elbe Einfahrtsgebiet zu. Das Radarbild wird bunter. Allerdings ist der dichte Zug aus Frachtschiffen am Horizont tatsächlich nur eine Reede voller ankernder Schiffe, durch die wir unbehindert durchfahren können. Es ist nun fast Hochwasser, die Weiterfahrt in die Weser ist bei dem starken Gegenstrom extrem langsam. Stundenlang kommen wir mit nur 2 Knoten über Grund voran und sind froh, als wir in Bremerhaven angekommen, wieder mit einlaufendem Wasser rechnen können.
Nachdem wir die vielen großen Containerschiffe am Terminal bewundern konnten, geht es weiter die Weser hoch. Der Strom des einlaufenden Wassers addiert nun bis zu 2,6 Knoten zu unserer Geschwindigkeit. Wie angenommen, erreichen wir die letzte Weserkurve vor Hasenbüren gegen 15:00Uhr. In der letzten Weserkurve vor Hasenbüren dreht der Wind ein und wir können ein letztes Mal auf unserer Reise die Segel setzen.

Frachter in Bremerhaven
In Hasenbüren werden wir sehr herzlich von unseren anwesenden Vereinsfreunden begrüßt, ein Liegeplatz ist bereit. Wir machen fest und sind froh über den guten Verlauf unserer Reise. Unser Triplog zeigt vor Hasenbüren mehr als 800 Seemeilen an. Wir haben es geschafft – sogar in der von uns geplanten Reisezeit. Seit der Vilainefahrt und der Schleusung in Arzal sind 2 abenteuerreiche Wochen vergangen. Wir haben insgesamt nur 5 Nächte ohne Fahrt verbracht. Die erste und längste Etappe verlief über fast 5 Tage. Unser Schiff hat gut durchgehalten. Die Technik hat mitgespielt und bis auf einen alten Fender und eine Kunststoffdorade haben wir nichts weiter verloren. Die Essensvorräte, die wir in Frankreich besorgt haben, haben absolut ausgereicht, um uns auf der Tour rundum gut zu Ernähren. Lediglich in Sneek haben wir ein paar frische Kleinigkeiten dazugekauft.

Unsere Reiseroute: ca. 824 SM
Während der Reise haben wir die Zeit gut genutzt, die SUN zu putzen, zu reparieren und zu optimieren. Die Elektronik wurde mit einem Barometer und einem WiFi-Gateway ergänzt. In Zukunft kann das alte Seatalk-Protokoll mit dem neuen NMEA2K Standard kommunizieren. Bodo putzte die Lazybag, die mit der Zeit leider etwas grün angelaufen war, und die Seile. Zwei neue Mastrutscher wurden eingenäht und neue Seile mit Taklingen versehen. Am Motor haben wir das zu niedrig eingestellte Standgas justiert. Die Pantry wurde intensiv geputzt, der Gasherd glänzt in alter Frische. Wir haben die Küchengeräte ausgetauscht oder ergänzt, Die Wasserpumpe wurde wieder an die Küchenspüle angeschlossen, so dass der Heißwasserhahn und der Kaltwasserhahn auch das liefern, was sie sollen. Die Wassertanks sind jetzt durchgespült und das gelagerte Trinkwasser ist sauber. Die spröden und verschlissenen Wantenverkleidungen sind entfernt und vieles andere mehr konnte verbessert werden. Wir sind glücklich, dass wir unser Ziel so gut erreicht haben und freuen uns über die freundliche Begrüßung.

Einfahrt in den Hafen in Hasenbüren
Johannes packt seine Sachen und wird von einem lieben Vereinsfreund zum Bahnhof nach Bremen gebracht. Gundula nutzt diese Gelegenheit und kann ohne die Zuhilfenahme von öffentlich-rechtlichen Verkehrsmitteln vom Hauptbahnhof zu uns kommen. Später kommt Antje mit dem Auto in den Hafen. Nach einem leckeren Abendessen im nahegelegnen Fischrestaurant, übernachten wir ein letztes Mal auf der SUN und reisen so gegen Mittag am Samsag ab. Die Segel haben wir gut eingepackt, und die Checkliste für den Hafen abgearbeitet.

Der neue Liegeplatz
In den nächsten Wochen werde ich mich um die SUN kümmern. Die Elektrik, an der wir bereits begonnen haben zu arbeiten, wird noch weiter überarbeitet und viele Verschönerungen stehen noch an. Insbesondere sind dies die Gläser der Dachluken und die Neuherstellung der Antirutschpads auf dem Deck, die heute aus verschiedenen Materialien bestehen und unterschiedlichste Verschleißzustände zeigen.