Platon wird der Ausspruch zugesprochen:
„Es gibt drei Arten von Menschen – die Lebenden, die Toten und diejenigen, die zur See fahren.“
Wie auch immer man dieses Platonzitat interpretiert. Der Mensch ist nicht für das Leben im Wasser geschaffen. Je nach Wetter, Temperatur und Auftrieb kann er in fast keiner Situation für längere Zeit im Wasser überleben. Sicherheit auf See ist somit ein extrem essentielles Thema, mit dem ich mich mit meiner neuen Freizeitbeschäftigung auseinandersetzen muß. Als Charterer wird man kaum den Sicherheitsstandard eines Bootes verbessern; mit der einzigen Ausnahme der Wahl persönlichen Ausstattung. Als Schiffseigner übernehme ich nun deutlich mehr Verantwortung für mich und die Crew. Also wird das Thema Sicherheit und Sicherheitsausstattung zu einem wichtigen Projekt, mit dem ich mich in den nächsten Wochen auseinandersetzen werde.
Meine erste Erfahrung als Seemann konnte ich in den achziger Jahren auf dem Containerschiff MS Leverkusen Express sammeln. Um überhaupt fahren zu können, war ein 14-Tägiger Sicherheitstrainingskurs Voraussetzung. An Bord gab es eine Sicherheitsrolle mit der jedem eine klare Verantwortung im Notfall zugewiesen wurde. Manchmal gab es unangekündigte Trainingsaktionen neben dem wöchentlichen Versammeln auf Station. So lernte man, wie man ein Rettungsboot zu Wasser lassen konnte, Rettungsmittel organisierte und wie man sich im Notfall im Wasser verhält. Damals gab es für jeden Seemann einen Überlebensanzug, der es ermöglichen sollte, mehrere Stunden ohne weitere Auftriebshilfe im Wasser überleben zu können. Heute, so denke ich mir, ist das in der Handelsmarine mit Freifallrettungsbooten und moderner persönlicher Sicherheitsausrüstung wahrscheinlich noch deutlich ausgeklügelter.
Ein Kontrastprogamm dazu war die Ausstattung der Charteryachten. Mit Glück gab es ein Hufeisenring mit Licht. Die Rettungswesten waren derart unbequem, das sie meistens im Stauraum blieben – auch wenn das Wetter rauer war. Es gab auch nicht immer funktionierendes GPS oder neue Seekarten. Solange man nicht in einen Notfall kommt, sind alle Bedenken auch müßig. Heute haben wir meist andere Ansprüche an Sicherheit. Wo früher galt – wenn Du bei hartem Wetter von Bord gegangen bist, hast du wenig Chancen mehr – gibt es mit wenig Comforteinschränkung beim Tragen der Sicherheitsausrüstung und Nutzung aller Sicherheitsmassnahmen deutlich bessere Überlebensmöglichkeiten. Dies soll aber nicht bedeuten, dass wir alle Aufmerksamkeit nicht immer zunächst auf die persönliche Sicherheit richten müssen. Ein ABS-System oder ein Spurhalteassistent soll uns ja auch nicht dazu führen, mit weniger Aufmerksamkeit Auto zu fahren. Wir hätten dann die technisch verbesserte Sicherheitsmarge wieder vernichtet.
Wie auch früher gilt natürlich grundsätzlich: 100% sicherstellen, dass du nicht von Bord gehst. Die Automatikweste mit Lifebelt am besten schon am Steg anlegen, genügend sichere Anschlagpunkte an Deck sicherstellen und gegebenenfalls kennzeichnen, Sorgleinen spannen. Die Länge der Sicherheitsleine mit dem Karabiner darf nicht zu lange sein… usw. Die Risiken sind an Bord eines Segelbootes vergleichsweise zahlreich. Bei der Arbeit an Deck ist der Wirkraum des Großbaumes nur eine von vielen Gefahren wie auch z.B. Stolperfallen durch nicht aufgeräumte Leinen, schlagendes laufendes Gut mit harten Schäkeln oder Rollen, glatten rutschigen Decksoberflächen usw. Für ein Manöver an Deck auf dem Wasser heißt das: immer zunächst an die eigene Absicherung denken, bevor die Arbeit beginnt.
Nachdem wir all dies beherzigen, kommen wir zu dem undenkbaren Fall, dass das Unmögliche passiert. Aus welchem Grund auch immer, geht ein Crewmitglied über Bord oder wird verletzt. Der Stauraum einer Yacht mit 12m ist begrenzt – trotzdem sollten wir, abhängig von der Entfernung zum nächsten sicheren Hafen immer darauf vorbereitet sein und ausreichend Mittel für die erste Hilfe für Verletzte bereit zu haben. Im Gegensatz zu Notfällen an Land, muß diese Hilfe viel nachhaltiger sein und langfristiger wirken. Mit der Reduzierung der Geschwindigkeit auf dem Wasser und der meist eingeschränkten Manöversituation zur See, dehnt sich der Zeitabstand, bis die Unterstützung von Außen kommt stark. Nicht nur bei Problemen mit dem Fahrzeug sondern auch für die Versorgung von kritisch Verletzten oder für die Bergung von Personen, die über Bord gegangen sind, sin die Kenntnisse über die sichere Signalisierung von Notlagen essentiell.
Ich muß verstehen wie ich einen Notruf korrekt absetzen kann, so daß die Küstenfunkstelle die Situation auf Anhieb versteht. Die Notrufbake sollte immer Griffbereit an Bord sein und die Bedienung bekannt. Auch andere Signalmittel sollten immer gewartet und griffbereit zur Verfügung stehen (Pyrotechnik, Feuerlöscher, Beflaggung, akustische Signale oder Flaggensignale).
Unsere Sicherheit an Bord nimmt erheblich zu, wenn jedes Crewmitglied zunächst das erhöhte Risiko erkennen und akzeptieren kann, auch wenn sich zunächst bei der Anwesenheit an Bord nichts Eindrückliches ändert. Hier unterstützen uns heute auch Videos mit konkreten und teilweise realen Darstellungen von Konsequenzen mangelnder Vorsicht. Dann muß vor und während des Reiseantrittes unbedingt ein schiffsbezogenes Sicherheitstraining ausgeführt werden, bei dem dann auch sicherheitsrelevante Rollen an die Crew verteilt werden. Dieses Training muß unbedingt auf die vorhandenen Vorkenntnisse aller Crewmitglieder angepasst sein.
Das Sicherheitstraining am Beginn einer Fahrt sollte mindestens die folgenden Kapitel haben:
- Welche Gefahren gibt es an Bord auf See (Je nach Vorerfahrung angepaßt)
- Welche Sicherheitsstandards an Bord sind definiert (Tragen von Automatikwesten auf Deck, Verankerungen für Sicherheitsleinen, wo genau sind besondere Gefahren zu berücksichtigen….)
- Was ist während der Segelmanöver zu beachten. Z.B. erhöhte Gefahr durch den Großbaum bei Raumwind.
- Wie muß ein Notruf abgesetzt werden.
- Wie kann ich die Notsignalbake (EBIRB) aktivieren.
- Wo ist die Rettungsinsel und wie wird sie ausgelöst.
- Welche anderen Mittel stehen zur Verfügung, wie die Notleiter, Die MOB Kennzeichnungsboje, Der Hufeisenring usw.
- Auch sollten die verschiedenen Optionen für ein MOB Manöver zunächst bei einfachen Windverhältnissen mehrmals geübt werden. Vielleicht – wenn möglich – hilft auch die Simulation der Bergung eines Gegenstandes mit größerem Gewicht aus dem Wasser an das Deck um mit reellen Anforderungen zu üben.
Letztlich müssen noch die speziellen Rollen verteilt werden: Verantwortung für den Lukenverschluß bei viel Wind oder hohem Wellengang; Absetzen eines Notrufs am Seefunkgerät. Auslösen der EBIRB und Sicherstellung der Ordnung an Deck, Brandherdsuche, Lecksuche usw.
Es hilft erheblich wenn passende Notkarten schnell zur Verfügung stehen. Dies sind einlaminierte Kurzanleitungen für z.B. die Position der Luken, oder der Seeventile die zu verschließen sind, oder beisielsweise die Kurzfassung und den Algorithmus für Funksprüche.
Es gibt gute Literatur zum Themenkreis der Yachtunfälle. Für mich eine wertvolle Quelle um mögliche Gefahren zu erkennen und dann das passende Risikomanagement anzuwenden. Tatsache ist, dass z.B. Alkohol, Übermüdung, mangelnde Seetüchtigkeit von Crewmitgliedern, Überschätzung von persönlicher Leistungsfähigkeit neben fehlender Erfahrung oder mangeldem Training die größten Risikofaktoren darstellen. Auch gerade deshalb sollten diese Themen bereits vor Antritt der Reise mit der Crew behandelt werden, um Regeln zu vereinbaren.