Die verpasste Geburtstagsfeier

Eigentlich…

wollten wir in der zweiten Septemberwoche nach Borkum fahren, um unserer Mutter dort zum Geburtstag zu gratulieren. Der Termin war fest geplant: Mit ablaufenden Wasser am Mittwochmorgen von Bremen nach Bremerhaven und dann nach dem Abwarten des nächsten Hochwassers raus auf die Nordsee und ab nach Westen.

Aber…

Mein Bruder und (geplanter) Mitsegler fällt wegen eines komplizierten Fußbruchs aus und singlehanded möchte ich noch nicht einen so großen Schlag machen.

Dann…

springt mein guter Freund und Segelpartner Bodo spontan ein und kommt mit am Mittwoch nach Bremen, um die Fahrt nun doch zu machen.

Und so…

fahren wir wie geplant am Mittwoch morgen aus Hasenbüren los, warten in Bremerhaven das Hochwasser ab – nicht ohne dort einen kleinen Stadtrundgang zu machen. Um 19:00 Uhr lassen wir uns aus dem neuen Hafen ausschleusen und dann drehen wir Richtung Nordsee am Terminal vorbei ins Watt. Der Westwind ist recht stark und kommt dummerweise wirklich direkt aus dem Westen.

Aber…

weiter draußen im Watt frischt der Wind weiter auf. Bald sind wir uns einig, das wir den Schlag nach Borkum nur mit großen Mühen und enormem Zeitaufwand schaffen würden. Wir geben auf – es geht zurück nach Bremerhaven – jetzt allerdings gegen den Strom.

Der Westwind macht uns zu schaffen

Endlich um 2:00 morgens erreichen wir wieder die Weserkurve. Alle Hafenschleusen sind zu dieser Tageszeit geschlossen und so müssen wir auf Reede. Dabei habe ich bisher noch nie mit der Sun geankert. Die auf einem neuen Sockel montierte Ankerwinsch funktioniert aber auf Anhieb und auch der Anker kommt mit dem Grund der Blexen Reede gut zurecht. Da wir weit und breit das einzige Segelboot sind, lassen wir zur Sicherheit fast die ganze Kette ausrauschen und stellen den Ankeralarm auf 50m. Natürlich schlafe ich schlecht, der Wind ist auch hier recht stark und man kann die Strömung der Weser am Rumpf fast hören. Zweimal schlägt der Alarm an. Dies aber nur wegen der Strömungsumkehr, bei der sich die Sun um 180° dreht. Am Morgen ist es kalt und auf der Weser steht eine Nebelwand, bis endlich die Sonne durchbricht und den schönen Tag ankündigt, den unser Barometer schon anzeigt.

Der Wind ist weiter etwas nach Süden eingedreht. Wir entscheiden uns spontan zur Insel Helgoland zu segeln. Der neue Orca Core schlägt uns eine Route über die alte Weser durchs Watt vor. Die Rinne ist nur mit wenigen unbeleuchteten Tonnen markiert und wechselt öfter die Richtung und die Breite. Heute am Tag mit guter Sicht ist das ok, auch wenn uns der Windpark und der Strom am Ende des Weserarms Schwierigkeiten mit Turbulenzen zu wenig Fahrt machen. Flache Stellen kann man gut anhand der starken Grundseen erkennen.

Ideale Bedingungen auf der Fahrt zur Insel

Sobald wir den Windpark am Weserende passiert haben, können wir bei halbem Wind die Insel direkt ansteuern. Bei einer ca. 80cm hohen Welle, erreichen wir allein mit der Genua schon die Rumpfgeschwindigkeit der Sun. Das Verkehrstrennungsgebiet für die Elbeausfahrt ist nicht besonders befahren und so müssen wir auch keine Ausweichmanöver machen. Schade, dass wir den Windpiloten nicht vorbereitet haben, der hätte noch weiteren Komfort gebracht.

In der Sonne sieht man die Felsen schon von Weitem.

Nach einer Weile kann man die roten Klippen und den Leuchturm von Helgoland gut erkennen. Bis zum späten Nachmittag haben wir uns gut an die Insel angenähert. Die Einfahrtonnen sind gut sichtbar, als plötzlich der Wind völlig unerwartet weg ist. Nach ca. 5 Minuten ist er wieder da – aber nun weht er von Norden. So fangen wir an zu kreuzen – der Strom läßt uns aber doch sehr stark abtdriften. Der Motor wird zur Hilfe angelassen und mit Stützgroß geht es die paar fehlenden Meilen gegenan, bis wir nach dem passieren der Hafentonnen in den Südhafen einlaufen können.

Die öffentlichen Stege sind besetzt, aber bis auf einen Segler gibt es noch keines der berühmten hegoländer Päckchen. Wir suchen uns einen etwas kleineren Segler aus, der als Einziger die Fender schon herausgehängt hat. Rückwärts gegen den Wind legen wir an und machen in der 2 Reihe fest. Flugs noch 2 Landleinen um das Ganze etwas zu stabilisieren und wir können uns aufmachen die Insel zu erkunden.

Ich versuche mich zu erinnern, hier war ich vor über 50Jahren das letzte Mal. Irgendwie seltsam – nach so vielen Jahren wieder hier – und mit einem ganz anderen Boot. Damals fuhr man – wahrscheinlich von Cuxhaven aus mit einem kleinen Ausflugsdampfer, der gegen die Wellen kämpfte nach Helgoland. Der Dampfer ging auf Reede und alle Touristen mußten mit den kleinen typischen helgoländer Holzbooten an Land gebracht werden. Der Hafen war wohl damals wegen der Kriegsschäden noch nicht befahrbar.

Der Helgoländer Leuchtturm auf dem Oberland

Erstaunt schaue ich die gepflegte Siedlung im Unterland an. Der kontinuierliche Tourismus scheint viel Wohlstand auf die Insel zu bringen. Vielleicht ja auch die zunehmende Windparkversorgungsindustrie. Die nur noch mit Übernachtungsgästen und Einheimischen besetzten Restaurants schließen früh und wir gehen ohne Abendessen wieder zurück auf die Sun. Hier gibt es dann etwas einfaches aus dem Kühlschrank und der Gemüsebox.

Die kurze Nacht und die viele frische Luft haben uns schläfrig gemacht und wir gehen sehr früh in die Kojen. In der Nacht wache ich einmal wegen des in den Wanten heulenden Windes auf, kurz danach gibt es einen intensiven Regenguß. Sonst bleibt alles ruhig in der Nacht. Der nächste Tag beginnt mit viel Sonne. Ich gehe zum Hafenmeister und begleiche die Liegeplatzgebühr. Der Hafen ist ein Schutzhafen, der vom Bund betrieben wird – dementsprechend ist das Büro im offiziellen Gebäude, in dem auch der BSW residiert. Unser Päckchennachbar macht sich auf die Rückfahrt ans Festland und wir verholen direkt an den Steg.

Eine Lumme

Wir erkunden die Insel – die ja bekanntermaßen recht überschaubar ist. Die roten Felsen mit verschiedensten Seevogelarten, inklusive der typischen helgoländer Lummen. Wir passieren die Wasser- und Stromversorgung und kommen wieder in der Unterlandsiedlung an. Wir besorgen noch einiges im zollfrei-Shop und gehen dann zurück zum Steg. Bevor wir uns auf die Rückfahrt machen wollen wir noch von den günstigen Konditionen profitieren und Diesel für die Sun bunkern. Die Tankstation befindet sich im Nachbarhafen, etwas nördlich. Immer mehr Ausflugsboote kommen in den Hafen um Tagestouristen auf die Insel zu entlasten. Zeit für uns die Insel wieder zu verlassen.

Wieder zurück zum Festland

Gegen Mittag treten wir die Rückfahrt Richtung Bremerhaven an. Die Bedingungen sind fantastisch. Es weht ein Nordwind mit ca 22 Knoten. Die Wellen sind so ungefähr 1m hoch. Um die Genua möglichst stabil zu halten, wählen wir nicht den direkten Kurs, sondern fahren etwas westlich. Der Windpilot ist heute vorbereitet und wir setzen ihn intensiv ein. Bei Windböen müssen wir allerdings korrigieren. Zwischendurch frischt es etwas auf und weht dann mit bis zu 26 Knoten.

Wir erreichen schnell die Wesereinfahrt, wechseln den Bug und können bereits um 21:00 in die Schleuse des neuen Hafens einfahren. Die Nacht verbringen wir in der „Marina im Jaich“. Niedrigwasser, das wir für die Fahrt Weseraufwärts benötigen, ist am Samstag erst gegen Mittag und so haben wir genug Zeit auszuschlafen und in der Stadt frühstücken zu gehen.

Eine Segelreise sollte immer gut und vorausschauend geplant sein. Manchmal kommt es aber anders, wie wir jetzt wieder mal sehen konnten. Auf jeden Fall immer ein Abenteuer!

Mit dem weiter aus dem Norden wehenden Wind, können wir in den Fluss segeln. Erst bei Brake wird er so schwach, dass wir den Perkins anlassen und den Rest der Tour mit dem Diesel fahren. In der Abenddämmerung erreichen wir unseren Heimathafen und stellen fest, dass der Liegeplatz von einem Gastlieger belegt ist. Es gibt aber noch eine Lücke und wir machen fest und essen zu Abend.

Der gebrochene Block des Bb Backstages -> Lochfraß und Spannungsrisskorrosion

Am Sonntag haben wir genug Zeit einige kleine Reparaturen an den Segeln vorzunehmen. Auf der Fahrt ist mir noch einer der Spannrollen für den Bb Backstag abgerissen. Ich baue den Block aus, um einen neuen zu bestellen. Der Hersteller existiert glücklicherweise noch.

Dann fahren wir mit den guten Erinnerungen an unsere Reise nach Hause.

Im September 2024

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